Timothy Ferriss’ The 4-Hour Workweek ist ein bemerkenswerter Versuch, die klassische Vorstellung von Arbeit und Erfolg auf den Kopf zu stellen. Hier wird der Traum einer Vielzahl von Menschen verkündet: weniger arbeiten, mehr leben. Ferriss, der in diesem Buch ein Konzept von „Lifestyle-Design“ propagiert, fordert die Leser heraus, das traditionelle 9-to-5-Arbeitsmodell in Frage zu stellen und durch effizientere Arbeitsmethoden und Outsourcing von Aufgaben ein Leben in Luxus und Freiheit zu führen. Doch wie bei vielen revolutionären Ideen, stellt sich auch bei Ferriss‘ Ansatz die Frage, ob er nicht mehr für die Eliten dieser Welt gedacht ist, als für den Durchschnittsmenschen.
Ferriss präsentiert eine Mischung aus persönlichen Erlebnissen, praktischen Anleitungen und absichtlich provokanten Theorien. Der Inhalt bewegt sich zwischen einer Anleitung zum Reisen, zum Aufbau eines erfolgreichen Geschäfts im Internet und einer beinahe philosophischen Auseinandersetzung mit der Frage, wie viel Zeit wir in der Arbeit verschwenden, die wir eigentlich nicht tun müssen. Sein Vorschlag ist, den „zeitlichen Aufwand“ auf ein Minimum zu reduzieren, indem man automatisiert, delegiert und nur das Wesentliche tut. Das Buch liest sich wie eine Mischung aus Selbsthilfe und Geschäftsratgeber, wobei Ferriss’ Stil an einer Mischung aus pragmatischem Rat und extravagantem Exzess schwingt. Das alles ist amüsant, leicht zugänglich und oft etwas unrealistisch.
Es ist unübersehbar, dass Ferriss einen direkten Zugang zu einer erfolgreichen, überdurchschnittlich produktiven Lebensweise zeigt, die jedoch viele der Leser, die sich in ihren traditionellen Arbeitsmodellen wiederfinden, mit einem schalen Gefühl zurücklässt. Der Weg, den Ferriss beschreibt, ist jener der Wohlhabenden, die über Ressourcen und Möglichkeiten verfügen, von denen die meisten nicht nur träumen, sondern sich auch von ihrer Realität ein wenig entfremdet fühlen. Es ist in gewissem Maße ein Buch für die „Wohlstandselite“, die nach Wegen suchen, noch mehr zu erreichen, aber dabei wenig Rücksicht auf die realen Schwierigkeiten der breiten Masse nimmt.
Die Sprache ist in typisch amerikanischer Manier optimistisch, ein wenig übertrieben und immer auf der Jagd nach der nächsten „großen Idee“. Ferriss nutzt humorvolle Wendungen, liefert schlaue Sprüche und lockt seine Leserschaft mit dem Versprechen eines besseren Lebens. Doch für all die clevere Inszenierung bleibt der Text literarisch flach und bietet wenig Tiefe jenseits der reinen Ratgeberfunktion. Es gibt hier kein wirkliches Spiel mit der Sprache oder der Narrative – stattdessen bleibt alles auf den punktgenauen Ratschlägen und Konzepten fokussiert. Man merkt, dass Ferriss ein Meister der „Marketing-Kunst“ ist und diese gut in seine Leserschaft hineinbringt.
Wer ist nun die Zielgruppe dieses Buches? Sie sind jene, die nach Freiheit streben – vor allem die jüngeren Generationen, die sich von den strengen Vorgaben der klassischen Arbeitswelt befreien wollen. Sie sind auf der Suche nach einem flexiblen Arbeitsleben und interessiert daran, das Beste aus den modernen technologischen Möglichkeiten herauszuholen. In einer Zeit, in der digitale Nomaden die Welt bevölkern und Arbeitsorte immer fließender werden, trifft Ferriss‘ Philosophie durchaus den Nerv der Zeit. Aber es ist auch ein Buch für Unternehmer, die ihre Zeit besser managen wollen, und für kreative Köpfe, die nach alternativen Wegen suchen, um ihre Projekte voranzutreiben.
Ich gebe The 4-Hour Workweek 3 Sterne. Es ist ein cleveres, populärpsychologisch ansprechendes Werk, das durchaus eine breite Leserschaft erreicht und dazu anregt, das eigene Leben zu hinterfragen. Doch für die, die nach tieferer, kritischerer Auseinandersetzung suchen, bietet Ferriss‘ Werk wenig mehr als oberflächliche Konzepte und eine Überdosis an Selbstmarketing. Es ist sicherlich kein literarisches Meisterwerk, sondern ein zeitgemäßer Ratgeber, der mit mehr Charme und weniger Substanz glänzt.